Lean Coffee – mit Kaffee zu besseren Meetingergebnissen
Wer kennt es nicht? Man geht in die Kaffee-Ecke (oder auch Kaffee-Küche) um sich schnell einen Cafe Creme oder Cappuccino zu ziehen und trifft dort Menschen (nicht alle sind im Home-Office). Die Kollegin aus der anderen Abteilung, einen Vorgesetzten oder einen Kollegen aus dem gleichen Team, mit dem man aber sonst wenig zu tun hat. Es passiert, was passieren darf: ein Gespräch entsteht. Man spricht über das Wetter, den Urlaub oder auch vielleicht über ein Thema im Unternehmen. Da fällt der Marketing-Mitarbeiterin eine Frage an den Kollegen aus dem Einkauf ein, die sie immer schon mal stellen wollte. Oder der Produktionsleiter erfährt ganz nebenbei mit welchem „Problem“ sich gerade die Mitarbeiter in der Logistik herumschlagen. Diesen Austausch in der besagten Kaffee-Küche nennt man offiziell „informellen Austausch“ umgangssprachlich wird er auch Flurfunk genannt. Viele Soziologen sind davon überzeugt, dass er sehr wertvoll ist und quasi nicht zu ersetzen geschweige denn verzichtbar ist.
Lean Coffee – schlankes Meeting für jedermann
Informationen, die außerhalb der formellen Organisation fließen, sind kostbar. Bei diesen kurzen persönlichen Gesprächen entsteht Vertrauen, die Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Angefangen bei Sorgen und Nöten, die man als Führungskraft zwischen den Zeilen hören kann, über organisatorische Fragen, die auch Abläufe in andere Abteilungen beeinflussen. Bei dem obligatorischen Kaffee in der Kaffee-Küche können solche Gespräche entstehen.
Wer solche Prozesse bewusst fördern will, der sollte ein Lean Coffee veranstalten. Dieses Meetingformat kommt aus dem agilen Projektmanagement. Die Besonderheit besteht darin, dass die Teilnehmer eines Lean Coffees die Agenda selbst erstellen und dabei auch die jeweiligen Gesprächsthemen selber priorisieren. Die Dauer der Diskussion ist klar begrenzt. Ich habe einmal ein solches Meeting begleiten dürfen:
Einmal im Monat ist Lean Coffee-Meeting
Sarah freut sich auf dieses Meeting heute morgen. Einmal im Monat findet ein Meetin im Lean Coffee-Format in Ihrer Firma statt. Und bislang entstanden stets gute Ideen und sind tolle Ergebniss dabei erzielt worden. Und es hat Spaß gemacht. „Es ist nie langweilig. Und es kommen auch häufig ein, zwei überraschende Themen auf die Tagesordnung, an die man selber nicht gedacht hätte“, sagt sie. Es ist die besondere (Nicht-)Struktur und das Setting, die Lean Coffee Termine zu einem beliebten Format in der Firma machen.
Das Besondere an dem Format ist nämlich, dass die Zeit für ein Lean Coffee zum einen klar begrenzt ist und zum anderen die Themen zu Beginn des Meetings noch nicht feststehen. Denn die Inhalte werden von den Teilnehmern bestimmt, die gerade daran teilnehmen. Eine von „oben“ auferlegte Tagesordnung oder strategische Meeting-Agenda gibt es nicht. Das lässt Raum für Themen, von denen vielleicht auch eine Führungskraft noch nichts wusste.
Zurück zu Sarah. Sie arbeitet als Buchhalterin in einem Unternehmen, dass Datenleitungen für Firmen zur Verfügung stellt und supportet. Die Kunden haben mehrere Standorte und sind auf ausfallsichere Verbindungen angewiesen. Das Unternehmen hat 15 Mitarbeiter, von denen einige Kollegen häufiger im Außendienst in ganz Deutschland unterwegs sind. Am letzten Freitag im Monat versuchen alle im Büro zu sein.
Heute hat Timo die Moderation inne. Er ist Gruppenleiter im Unternehmen und hat zum Lean Coffee um 9 Uhr eingeladen. Der Treffpunkt ist in der Kaffeeküche oder bei schönem Wetter auch mal auf der Terrasse. Heute ist Schmuddelwetter und deshalb stehen alle in der offenen Kaffee-Küche. Teilnehmen darf jeder, der an informellem Austausch interessiert ist. Vom Geschäftsführer bis zu den Technikern und den Support- und Office-Mitarbeiterinnen sind alle dabei. Jeder hat sich zunächst einen Kaffee (Tee geht auch 😀) gemacht und sitzt oder steht dort, wo er mag.
Heute sind insgesamt 10 Kollegen da inklusive dem Geschäftsführer Michael, natürlich als ganz normaler Teilnehmer. Timo begrüßt alle und erläutert noch einmal den Ablauf des Lean Coffee Formats. Dann geht es los.
Schritt 1: Themensammlung (5 Minuten)
Innerhalb der ersten 5 Minuten moderiert Timo die Sammlung und Vorstellung der heutigen Themen von den Teilnehmern. Der Reihe nach darf jeder sein oder seine Themen nennen und kurz erläutern. Diese werden dann von Timo auf Post-Its festgehalten und an eine große Glaswand, gut sichtbar für alle, angeheftet.
Dalia, die im Office arbeitet hat das Thema „Mehr Gesprächs-Zeit mit dem Geschäftsführer Michael“ eingebracht, Jannis, ein technischer Support-Mitarbeiter, möchte gern über den „Firmenwagen sprechen, dessen Leasing bald ausläuft“ und „den Zustand des Technikraums“ diskutieren.
Kein Thema einzubringen ist natürlich auch in Ordnung. Nach 5 Minuten ist die Themensammlung beendet. Es hängen insgesamt 10 Themen an der Wand.
Schritt 2: Abstimmung (2 Minuten)
Es kommt zur Abstimmung über die Themen, die alle Teilnehmer heute am meisten interessieren. Jeder Teilnehmer hat 3 Stimmen. Timo verteilt dazu 3 Klebepunkte an jeden Teilnehmer, die jeder nach Interesse auf die verschiedenen Post-It Zettel mit den Themen verteilen kann. 3 Punkte für ein Thema oder auch je 1 Punkt für je ein Thema. Jeder darf so gewichten wie er will.
Das Thema mit den meisten Punkten wird als erstes besprochen. Und die Gruppe hat sich zuvor auf maximal 5 Themen geeinigt, über die insgesamt am heutigen Tage gesprochen werden soll.
Schritt 3: Diskussion (5 Minuten je Thema)
Dalia hat mit Ihrem Thema „Mehr Gesprächszeit mit Michael“ den ersten Platz belegt. Es hat 12 Punkte bekommen. Michael, der Geschäftsführer, ist ein bisschen überrascht von diesem Punkt: „Ich habe eigentlich immer gedacht, für alle da zu sein“, sagt er, „aber so kann Fremd- und Selbstwahrnehmung voneinander abweichen, sehr spannend“.
Jedes Thema erhält zunächst 5 Minuten Diskussionzeit. Das ist nicht viel und deswegen kommt niemandins „Labern“. Alle kommen schnell auf den Punkt. Fakten und Meinungen werden ausgetauscht. Stichpunktartig notiert Timo die wichtigsten Informationen aus der Diskussion auf Post-Its. Es geht beim Lean Coffee nicht darum, Themen vollständig auszudiskutieren, sondern eher Dinge an die Oberfläche zu holen. So können manchmal Führungskräfte aber auch Kollegen überrascht werden, was für Punkte in Unternehmen oder Abteilungen bislang nicht berücksichtigt wurden aber trotzdem viele Mitarbeiter beschäftigen. Ein echter Schatz für Führungskräfte, wenn sie sich einfach einmal zurücknehmen.
Und so kommt in den 5 Minuten von „Mehr Gesprächsszeit mit Michael“ schnell heraus, dass sich die Belegschaft feste Zeiten von Michael wünscht, zu denen er für sie Rede und Antwort steht. Gleichzeitig wünscht sich Michael von seinem Team, Entscheidungen und Gesprächsthemen besser vorzubereiten, damit er auch sofort eine fundierte Antwort geben kann. Daran hat es ihm in der Vergangenheit häufig „gemangelt“.
Schritt 4: 3 Minuten verlängern oder nächstes Thema?
Die 5 Minuten sind um. Nund meldet sich Timo als Moderator. Die Gruppe darf jetzt mit einem Daumen hoch oder Daumen runter entscheiden, ob sie über das Thema noch maximal 3 Minuten weitersprechen möchte oder nicht. Danach wäre aber in jedem Fall Schluss Für die Mehrheit ist das „Mehr Gesprächsszeit mit Michael“ besprochen. Es geht zu Thema Nr. 2 über, dem Firmenwagen, dessen Leasing ausläuft…..
So geht es zügig und fokussiert weiter mit der Diskussion und den anderen Themen. Maximal 8 Minuten können jedem Thema so gewidmet werden. Was am Ende aus jedem Gesprächssthema entsteht, ist unterschiedlich: einige Themen werden als großes Einzelthema identifiziert, für dessen Behandlung dann noch Verantwortliche bestimmt werden (und dann an anderer Stelle fortgeführt werden). Andere Themen sind ggf. auch schon ausdiskutiert.
Am Ende des Meetings, das nur 1 Stunde gedauert hat, sind 5 von 10 Themen diskutiert und stichpunktartige Ergebnisse hängen an der Glaswand. Bei Dalia, Jannis, Michael sieht man zufriedene Minen……eine Arbeitswoche geht erfolgreich zuende.
Agiles Projektmanagement und Lean Coffee
Wie ich bereits erwähnte, kommt dieses Format aus dem agilen Projektmanangement. Ich habe es selber erleben dürfen, welche Dynamik diese Art von Meeting hat. Über meinen Freund Frank Leuderalbert habe ich davon erfahren und gemeinsam mit ihm ein Lean Coffee-Konzept mit Barista-Catering entwickelt und auch bereits umgesetzt. Wenn Sie das interessiert, dann schreiben Sie mir Ihre Fragen oder auch Gedanken dazu. Vielleicht kannten Sie ja Lean Coffee auch schon vorher und haben damit bereits Erfahrungen gesammelt.