Anna Possi: Die älteste Barista Italiens und ihr einzigartiges Leben hinter dem Tresen
Nebbiuno, ein kleines Dorf am Lago Maggiore, ist bekannt für seine malerische Kulisse – und eine bemerkenswerte Frau. Anna Possi, die älteste Barista Italiens, steht mit beeindruckenden 100 Jahren immer noch täglich hinter dem Tresen ihrer Bar Centrale. Ihre Geschichte, festgehalten in einem Interview des Zeit Magazin, ist inspirierend. Und es hat mir gezeigt, Leidenschaft, Arbeit und Menschlichkeit wirklich bedeuten und mich ermuntert hat, es hier in aller Kürze wiederzugeben.
Ein turbulenter Start
Es sollte ein einfaches Interview werden. Die deutsche Journalistin hatte den Kontakt über Annas Tochter hergestellt. Doch als sie in der kleinen Bar Centrale eintrifft, schaut Anna sie fragend an: „Wer sind Sie?“ Die Antwort „Die deutsche Journalistin“ scheint Annas Verwirrung nicht zu lösen. Erst als die Journalistin die Verbindung zu Annas Tochter erwähnt, dämmert es – doch damit nicht genug. „Ich rufe meine Tochter an, dann können Sie das Interview mit ihr führen,“ sagt Anna entschlossen, während sie vergeblich nach ihrem Handy sucht.
Der Vorschlag, das Interview direkt mit Anna zu führen, wird von ihr höflich ignoriert. Stattdessen marschiert sie kurzerhand aus der Bar, auf der Suche nach ihrer Tochter. Was folgt, ist eine Szene voller Energie und Humor: Anna klingelt eifrig am Rathaus, hämmert an die Tür und fragt sich laut, warum niemand öffnet. Die Gäste in der Bar tuscheln amüsiert: „Schaut mal, was sie für einen Schritt hat. Den Schritt einer Zwanzigjährigen!“ Schließlich kehrt Anna, unbeeindruckt vom Chaos um sie herum, mit der Journalistin zurück in die Bar, winkt ab und sagt: „Va bene. Versuchen wir’s.“
Die Bar als Lebensmittelpunkt
Die Bar Centrale ist Annas Reich. Sie ist klein, fast gemütlich, mit einem holzvertäfelten Tresen, einem Kamin und Erinnerungen an den Wänden, die von Annas beeindruckender Karriere erzählen. Seit über 60 Jahren ist sie das Herzstück des Dorfes – und Annas Leben. „Meine Arbeit erfüllt mich“, sagt sie. „Sie bedeutet mir alles.“
Anna arbeitet jeden Tag, auch an Feiertagen. Pausen? Fehlanzeige. Urlaub? Eine ferne Idee. Sie beschreibt ihren Arbeitsalltag mit einer Mischung aus Bescheidenheit und Stolz: morgens die Stammgäste, abends wieder die gleichen Gesichter – eine Routine, die sie glücklich macht. Ihre Gäste kommen nicht nur wegen des Kaffees, sondern vor allem wegen Anna. Für viele ist sie mehr als eine Barista: eine Zuhörerin, eine Vertraute. „Der Mensch braucht Nähe, damit es ihm gut geht“, erklärt sie. Und genau diese Nähe schafft Anna – mit Aufmerksamkeit, ehrlicher Kommunikation und einer Prise Humor.
Von Tragik und Stärke
Doch Annas Leben war nicht immer einfach. Der Verlust ihres Mannes 1974 stellte sie vor große Herausforderungen. Ihr gemeinsames Lebenswerk, die Bar, wurde nach seinem Tod zu ihrer Zuflucht. „Ich musste allein weitermachen“, sagt sie. „Wo sollte ich hin? Das hier war mein Zuhause.“ Die Arbeit half ihr, den Schmerz zu bewältigen und ihrem Leben Struktur zu geben. Bis heute bewahrt sie die Erinnerungen an ihren Mann in der Bar, die früher sogar seinen Namen trug. „Ich nenne mich auf Facebook immer noch Anna René“, sagt sie mit einem milden Lächeln.
Nachdenkliche Beobachtungen
Mit ihren 100 Jahren hat Anna vieles erlebt und beobachtet. Ihre Einschätzungen zur heutigen Gesellschaft sind ebenso nachdenklich wie kritisch. Der technische Fortschritt, so sagt sie, habe die Menschen verändert – oft nicht zum Besseren. „Die Jugendlichen heute knüpfen keine Kontakte mehr. Jeder schaut aufs Handy.“ In ihrer Bar sieht Anna das Gegenteil: echte Begegnungen, Gespräche, menschliche Nähe.
Ein unerfüllter Traum
Annas Leben war immer der Bar gewidmet. Doch einen Traum hat sie noch: einmal ins Trentino fahren, in die Berge, die sie liebt. „Vielleicht nächstes Jahr,“ sagt sie lächelnd. „Wir werden sehen.“ Es ist ein bescheidener Wunsch, der viel über Anna verrät: ihre Zufriedenheit, ihre Bescheidenheit und ihre unerschütterliche Verbundenheit mit ihrem Zuhause.
Was wir von Anna Possi lernen können
Anna Possis Geschichte ist eine Lektion in Leidenschaft, Hingabe und Menschlichkeit. Sie zeigt uns, dass Arbeit mehr sein kann als eine Pflicht – sie kann einen tiefen Sinn geben. Für alle, die sich mit Marketing, Messen & Events beschäftigen, liefert Annas Geschichte wichtige Impulse:
- Authentizität und Nähe schaffen: Menschen suchen nicht nur Produkte, sondern echte Verbindungen. Eine Kaffeebar auf einer Messe kann mehr sein als ein Stand – ein Ort der Begegnung.
- Leidenschaft zählt: Arbeit wird dann inspirierend, wenn sie mit Hingabe ausgeübt wird. Anna zeigt, wie wichtig es ist, mit Herz bei der Sache zu sein.
Der dritte Ort: Annas Bar ist ein perfektes Beispiel für den „dritten Ort“ – einen Raum, der weder Zuhause noch Arbeit ist, sondern ein Ort der Gemeinschaft und Kommunikation. - Annas Geschichte erinnert uns daran, was wirklich zählt: die Menschen, die uns umgeben, und die Momente, die uns verbinden. Für alle, die mit Kaffee Menschen begeistern wollen, ist sie ein leuchtendes Beispiel.
Anna Possi: „Signora, was wollen Sie von mir?“ | ZEITmagazin